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phantastischer
Realismus
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Es war der Kunstkritiker Johann Muschik, der in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Begriff „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“ wirkungsvoll in die Welt gesetzt hat. Zur Schule im strengen Sinn gehörten die Maler Ernst Fuchs, Arik (eigentlich: Erich) Brauer, Wolfgang Hutter, Anton Lehmden und Rudolf Hausner, die alle stark von dem 1887 geborenen Albert Paris Gütersloh geprägt waren. Sie haben ihrerseits als Lehrer und als Vorbilder eine ganze Reihe von jüngeren Künstlern beeinflusst. Jetzt zeigt eine Ausstellung im SCHLOSS ACHBERG zwischen Ravensburg und dem Bodensee unter dem Titel Wiener Wirklichkeiten Werke von Schülern Rudolf Hausners, der, nach einer Professur in Hamburg, 1968 an die Akademie der Bildenden Künste in Wien berufen wurde.
Hausner war als Lehrer offenbar kein Despot. Er zählte zu jenen Ausbildnern, die begriffen, dass man Studenten – nicht nur in den Bildenden Künsten – dazu anleiten soll, ihre eigenen Fähigkeiten und Ideen zu entwickeln, statt vorgegebene Muster nachzuahmen. Zwar kann man in den Bildern der Schüler Elemente erkennen, die einem von Hausner selbst vertraut sind, wie sich an Exponaten des Meisters auf Schloss Achberg überprüfen lässt, aber die Nachgeborenen gehen ihre eigenen Wege und erschaffen ihre je eigene „Sprache“. Franz Zadrazil beispielsweise hat, ähnlich wie die Bühnenbildnerin Anna Viebrock, die Schönheit der Patina für sich entdeckt. Immer wieder malt er Häuserfassaden, die der allgegenwärtigen Modernisierungswut und Sterilität entgangen sind. Das Beiwort „Phantastisch“, mit dem übrigens schon die erste Generation der „Phantastischen Realisten“ nicht immer glücklich war, das sich aber als Markenzeichen „eingebürgert“ hat, passt nicht auf Zadrazils menschenleere Bilder, umso mehr aber die ebenso traditionelle wie wandelbare Kategorie „Realismus“.
Zu den erfolgreichsten Schülern Rudolf Hausners gehört Gottfried Helnwein, der mittlerweile in Irland und in Kalifornien lebt. Auch er bedient sich einer penibel realistischen Technik, erregte aber wegen seiner oft schockierenden Motive Aufsehen und Anstoß. Provokation und, damit verbunden, politische Aussage sind bei Helnwein, anders als etwa bei Zadrazil, Absicht und haben ihre Wirkung nicht verfehlt.
Die aus Westfalen stammende Ute Rakob ist die einzige Frau unter den ausgestellten Künstlern. Sie entfernt sich auch am weitesten von Hausners Realismus und nähert vorgefundene Abfallprodukte der ungegenständlichen Malerei an. Exponate anderer Hausner-Schüler erinnern eher an Arik Brauer, an Dalí, an Magritte oder an den Karikaturisten Manfred Deix. Die präsentierten Maler wurden zwischen 1941 und 1956 geboren. Kein Wunder also, dass der amerikanische Fotorealismus, im Zusammenhang damit auch Edward Hopper, und Filmbilder wie jene von David Lynch Spuren hinterlassen haben.
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Thomas Rothschild – 30. Mai 2023 ID 14223
Die Ausstellung Wiener Wirklichkeiten. Realistische Malerei aus der Meisterklasse Rudolf Hausner ist im Schloss Achberg noch bis zum 9. Juli zu sehen. Der Katalog [s. Cover o.re.] kostet 12 Euro.
Weitere Infos siehe auch: https://www.schloss-achberg.de
Post an Dr. Thomas Rothschild
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